Oder anders gesagt „Tiflis liebt Dich“ – so heißt das kostenlose W-Lan-Netz, das durch die Tifliser Straßen schwirrt und zuverlässig dafür sorgt, dass die Besucher möglichst schnell und bequem die Fotos dieser schönen Stadt mit ihren Lieben daheim teilen oder in die ganze Welt schicken können. Und ich kann nur antworten, ich liebe Tiflis und habe jetzt festgestellt, dass ich schon zu lange nicht mehr da war. Zwei Jahre sind seit meinem letzten Besuch vergangen, zu viel war in Armenien zu bereisen und zu erleben und im Rest der Region. Tiflis kannte ich ja schon - dachte ich … Aber während meiner viertägigen Dienstreise nach Georgien Anfang Februar hatte ich dank meiner geschickten Reise- und der sehr schönen Programmplanung der Kollegen vor und nach der Arbeit viele Gelegenheiten, durch die Stadt zu streifen, Neues zu entdecken – und in der Umgebung der Stadt noch mehr als nur nebelumwallte Klöster bei Schneefall zu besichtigen, denn sogar das Wetter war diesmal auf meiner Seite.
Das begann schon mit meiner Ankunft an einem strahlend-sonnigen Montag im Februar, denn es war schön warm und die Kollegen hatten ein nettes Hotel am Berghang mit spektakulärer Aussicht über die Stadt für uns reserviert – natürlich vor allem, weil es so nahe beim Büro lag! Ich war rechtzeitig mit dem Auto angereist, denn das sollte man ja bekanntlich im Hellen machen, wie ich bereits schmerzhaft erleben durfte. Daher blieb nach meiner Ankunft noch Zeit für einen Stadtspaziergang. Das Hotel ist auf kurzem Weg durch Treppen und eine sehr steile und schmale Einbahnstraße mit dem Rustaveli Platz, einem der zentralen Plätze von Tiflis, verbunden.
Von dort aus lasse ich mich einfach so lange durch die Stadt treiben, bis es irgendwann Zeit zum Umdrehen wird. Schon auf diesen ersten Metern fallen mir wieder die Besonderheiten ins Auge, die Tiflis für mich so interessant machen. Es ist diese Mischung aus alt und neu, verspielt und klar, vergammelt und schick, alternativ-hipster und schicki-micki, die sich hier auf engstem Raum findet. Viele schöne alte Häuser aus dem 19. Jahrhundert gammeln vor sich hin, oftmals noch melancholisch-schön, manchmal schon traurig. Direkt ums Eck dann knallbunt renovierte Altbauten neben moderner Glitzer-Architektur.
Und immer wieder auch Street Art, oft sehr bunt und manchmal auch von den Kneipenbesitzern beauftragt – vermute ich. Street Art gibt es ja in Yerevan fast überhaupt nicht, und es hat sich zwar in anderen Dingen in den letzten Jahren viel getan, aber auch von der EU gesponserte Street Art Workshops konnten an der faktischen Abwesenheit dieser Kunstform in Yerevan noch nichts ändern.
Manche Dinge im Stadtbild sind in Tiflis und Yerevan dagegen durchaus ähnlich, so entdecke ich z.B. viele Bücherstände und – natürlich – jede Menge Straßenkatzen. In Yerevan kommen mir diese noch etwas zutraulicher vor als in Tiflis, aber vielleicht hatten die Katzen hier auch nur gemerkt, dass ich Tourist war und wollten sich einfach nicht von jedem fotografieren oder gar anfassen lassen.
In der Abend-Dämmerung laufe ich zurück über den Rustaveli Boulevard, nun schimmern die eleganten Gebäude aus dem 19. Jahrhundert in allen Farben – und ich kann mich auf dem Rückweg ins Hotel auch praktisch nicht verlaufen.
Nach zwei Tagen intensivem Arbeitsprogramm steht dann am dritten Tag eine schöne Exkursion an. Das Wetter ist zwar nicht mehr ganz so ideal, aber trocken und nicht allzu kalt. Die Gruppe entscheidet sich aus dem vielfältigen Angebot der Kollegen für die Besichtigung einer Festung an der Georgischen Heerstraße. Immer wieder hatte ich von dieser Straße in Büchern über den Kaukasus gelesen und war schon sehr neugierig. Die Georgische Heerstraße ist die Hauptverbindung von Georgien nach Russland über den Großen Kaukasus, also den Hauptkamm des Gebirges. Als Weg gibt es diesen Gebirgspass laut schriftlicher Quellen schon seit der Antike, die Russen haben daraus dann im 18. Jahrhundert eine richtige Straße gemacht. Ein kleines Stück fahren wir also die Straße entlang, inmitten einer beeindruckenden Berglandschaft und erreichen recht bald die Kirchenfestung Ananuri. Im Hintergrund sehen wir schneebedeckte Berge im Sonnenschein, wie schön wäre es, nun noch ein paar Stündchen weiter ins Hochgebirge zu fahren! Aber auch die Festung ist sehr beeindruckend, eine spannende Mischung aus kunstvoll gestalteter, prächtiger Kirche mit grobschlächtigem Bergfried direkt daneben. Doch unsere Kollegin erzählt uns, dass das alles letztendlich nichts genutzt hat und die Festung schließlich trotzdem irgendwann erobert wurde.
Da wir noch mehr vorhaben, geht es schon wieder zurück in Richtung Ebene. Kurz vor Tilfis besichtigen wir noch die alte georgische Hauptstadt Mzcheta. Dort steht die Swetizchoweli-Kathedrale, über Jahrhunderte die Krönungskathedrale der georgischen Könige und heute UNESCO-Weltkulturerbe-Stätte. Entsprechend viele Menschen aus aller Welt sind sogar an einem trüben Wochentag im Februar hier. Angesichts der Ausmaße des Parkplatzes und der „Fressgass“ hinter dem Kirchengelände wollen wir uns kaum ausmalen, was hier im Sommer los sein kann. Die Kirche selbst ist sowohl außen als auch innen sehr beeindruckend – und ersetzt den gläubigen Georgiern sogar eine Pilgerreise nach Jerusalem, denn in einer Nische der Kirche findet sich eine fantasievolle Nachbildung der Grabeskirche.
Am Abreisetag habe ich dann praktischerweise den Nachtzug nach Yerevan für die Rückfahrt ausgewählt, das beschert mir noch einen ganzen Tag bis zum frühen Abend in Tiflis. Diesen nutze ich für Dinge, die mir Freunde wärmstens empfohlen haben, zu denen ich bisher aber nie genügend Zeit oder Muße hatte.
Der erste Stopp gehört dem georgischen Nationalmuseum, eine Freundin hatte mir immer wieder von der Schatzkammer im Keller des Museums vorgeschwärmt. Das war ein toller Tipp, um in so einem umfangreichen Museum gezielt die Highlights zu finden. Und ich muss sagen, was hier an Jahrtausende altem Goldschmuck präsentiert wird, hat mich enorm beeindruckt, sowohl im Hinblick auf die Qualität als auch die Originalität der Stücke. Und da ich recht früh da bin, habe ich die gesamte große Schatzkammer für mich alleine, erst beim Gehen kommt mir eine lärmende georgische Schulklasse entgegen.
Nach so viel Kultur habe ich mir für den Nachmittag ein entsprechendes Kontrastprogramm überlegt, die Schwefel-Bäder! Mein Kollege in Georgien war dort regelmäßig zu Gast und meinte immer, nichts sei typischer für die Stadt. Tiflis wurde nämlich an diesen heißen Schwefel-Quellen gegründet, viele Legenden der Stadtgeschichte ranken sich darum und auch schon die alten Römer haben vermutlich hier gebadet. Die heutigen Bäder sind entweder orientalisch luxus-renoviert oder im eher rustikaleren „Sowjet-Stil“ eingerichtet. Dank der akribischen Vorbereitung und guten Tipps meiner Kollegin wage ich mich in das etwas volkstümlichere „Royal Bath“ und gönne mir für eine Stunde meinen ganz privaten Schwefel-Baderaum, natürlich komplett mit Hamam-Seifenschrubben – wenn schon, denn schon ...
Als ich den Raum mit dem Schwefel-Bad betrete, rieche ich erst mal deutlich die „faulen Eier“, also den Schwefel. Aber es ist dann genau so, wie es mir meine Kollegin zuvor erklärt hatte, nach ein paar Minuten nimmt man den Geruch weniger stark wahr. Und ansonsten ist das Schwefel-Wasser nicht nur gesund, sondern auch ganz wunderbar, gerade so heiß, dass ich es im Becken noch aushalten kann. Schon bald klopft es an die Tür und die Hamam-Badefrau möchte hereinkommen. Spätestens nachdem sie mit der Seifenprozedur fertig ist, ist der Eier-Geruch für mich vollkommen verschwunden, es riecht nun nur noch angenehm nach Blümchen-Seife. Zwischendurch gehe ich noch ein-, zweimal unter die kalte Dusche, damit ich das heiße Wasser länger aushalte und komme schließlich nach knapp einer Stunde vollkommen durchgewärmt, aufgelockert und glücklich wieder draußen an.
Mein Glück kann nur noch beim Shopping-Streifzug durch eine alte Karawanserei ein klein wenig gesteigert werden, auch wieder dank dem Tipp einer Freundin, die meinte, hier sei der Emaille-Schmuck günstiger und auch die Auswahl besonders groß. Ich denke, damit hatte sie recht, zumindest konnte ich in den Schaufenstern der vielen anderen Juweliere in Tiflis so etwas Ähnliches nicht mehr finden …
Zufrieden trottele ich schließlich durch die mir nun schon viel vertrautere Altstadt zurück ins Büro, wo meine Kollegen meinen Koffer bewacht haben und lasse mich zum Bahnhof kutschieren. Gemütlich mit W-Lan im Zug, sehr gut funktionierender Heizung und netter Betreuung durch die Schaffnerin komme ich schließlich in der Morgendämmerung wieder in Yerevan an.
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Meri (Sonntag, 18 Februar 2018 13:25)
Wie immer, unheimlich gut geschrieben!