Eine meiner vielen Routinevorbereitungen, wenn sich mal wieder Freunde aus Deutschland bei mir in Armenien ankündigen, ist nicht nur die Reservierung meiner Lieblingshotels in den Provinzen oder das Buchen des Mietwagens, sondern oft – eigentlich immer, wenn Frauen dabei sind – eine Terminvereinbarung im Beauty Salon AYK.
Auch diesmal ging das wieder so: Um halb fünf Uhr nachts mit dem Flieger gelandet, um zwölf Uhr Mittags bei Hayk auf der Couch. Mein armenischer Lieblingsfrisör freute sich diesmal besonders, hatten meine Freundin und ich doch gleich vier weitere Kundinnen mitgebracht!
Bis alle mindestens nachgeschnittene oder sogar getönte Haare haben, zieht sich der Nachmittag hin. Meine Freundinnen sind trotzdem von der Investition an Urlaubszeit, die sie hier getätigt haben, überzeugt: Das fängt mit dem Preis an, ca. 1/3 dessen, was man in Deutschland bezahlen müsste, wird hier fällig – und damit liegt dieser Salon noch am oberen Ende des Preisspektrums in Yerevan (männliche Bekannte von mir bevorzugen schlichtere Salons mit weniger ausländischer Kundschaft, da kann man nämlich noch größere Schnäppchen machen). Weiterhin begeistert sie, wie perfekt er Ansätze färbt und modisch-lebendige Schattierungen tönt. Am faszinierendsten finde ich es jedoch immer wieder, wenn er die Haare schneidet. Oft sagt er mir, heute hätte er besonders großen Spaß am Schneiden und schwingt dabei mit einem breiten Grinsen beherzt die Schere. Detailverliebt und sorgfältig, gleichzeitig voller Freude am Handwerk schnibbelt er Ewigkeiten um die Köpfe der Damen herum – kaum ein Frisör in Deutschland nimmt sich so viel Zeit und ist mit so viel Begeisterung bei der Arbeit – das sehen meine Freundinnen genauso wie ich.
Am nächsten Tag haben meine Freundinnen endlich Zeit für einen ausführlichen Stadtspaziergang zwischen Cascaden und Republiksplatz – aber nur bis um vier Uhr nachmittags, denn dann steht schon der nächste Service-Termin an, diesmal beim Tätowierer! Zugegebenermaßen ist das Tattoo Studio nicht mein Spezialgebiet, aber meine Freundin kennt das Etablissement schon seit Monaten von diversen Besuchen und kann daraus entsprechende Beweisstücke vorweisen. Damit konnte sie auch ihre Familie überzeugen, die sich erneut vollständig zum nächsten armenischen Service-Termin einfindet. Damit auch ich mitreden bzw. -schreiben kann, stoße ich gegen halb sechs ebenfalls dazu und finde meine Freundinnen in bester Urlaubsstimmung im Kellerstudio.
Der Eingang des Studios, zentral gelegen am Rande des France Square mitten in der Innenstadt, ist mit einer großen schwarzen Säule auf dem Bürgersteig gut markiert, so dass man die Treppe zum Kellereingang nicht übersehen kann. Laute Musik dröhnt mir entgegen, jede Menge Leute laufen drinnen umher. Keiner stört sich daran, dass noch eine neugierige Zuschauerin hereinschneit. Im Studio selbst ist der Meister voll am Werk und sticht das zweite von vier Geschwister-Tattoos hinters Ohr. Abwechselnd halten sich die Mädels die Hände, fotografieren sich gegenseitig oder leiden still und tapfer vor sich hin. Zwischendurch springt eine Armenierin um uns alle herum und dreht ein Live-Video für Instagram, damit – bei Interesse – auch der Rest der Welt erleben kann, wie ¾ (für die dritte von vier Schwestern) gestochen wird. Anschließend sind meine Freundinnen von seiner Handwerkskunst so sehr begeistert, dass sie am nächsten Abend nach der Klosterbesichtigung noch mal wiederkommen.
Gagik ist übrigens ein Künstler auf vielen Gebieten, Kreativität lässt sich eben oft nicht in eine Dimension pressen. Auf Instagram sieht man deshalb nicht nur seine schönsten Werke auf menschlicher Haut, sondern ab und zu auch seine Auftritte als Schauspieler. So ganz nebenbei hat auch die lautstarke Musik in seinem Studio nicht nur den Zweck, die Kundschaft vom Schmerz abzulenken. Dabei stellt er nämlich unter anderem seinen Gästen armenische Nachwuchsbands vor. Alles dies hat dazu geführt, dass er von den Kennern der Szene für den besten Tätowierer des Landes gehalten wird.
Meine Freundinnen jedenfalls sind begeistert vom Tattoo-Paradies Armenien: Wieder mal fängt dies beim Preis an, erklären sie mir. Der Mindestpreis hier beträgt 10.000 DRAM, das sind derzeit ca. 17 Euro. In Deutschland kann man dagegen unter 80 Euro nirgendwo ein Studio betreten. Auch die Preise für die größeren Werke liegen bei ca. ¼ dessen, was man bei uns bezahlt.
Dazu kommt, dass die Terminvereinbarung viel kurzfristiger und unkomplizierter ist, berichten sie mir – in Deutschland kann es passieren, dass man, wenn man z.B. den heißersehnten Tattoo-Termin wegen einer akuten Erkrankung absagen muss, erneut wochenlang warten muss – bei Gagik ist so etwas natürlich undenkbar.
Auch gefällt ihnen die Atmosphäre, erzählen sie mir. Gagik hat offensichtlich sehr viel Spaß bei der Arbeit und freut sich über jeden Besucher, auch wenn er sich über mangelnde Kundschaft nicht beklagen kann.
Das Wichtigste aber ist für sie erneut die Handwerkskunst: Meine Freundin hatte sich als Reiseandenken vor einiger Zeit in Griechenland tätowieren lassen, womit sie aber nicht zufrieden war. Gagik sticht nicht nur darunter eines seiner Kunstwerke, er beschäftigt sich auch lange und gründlich mit dem alten Tattoo und „repariert“ es sehr fachmännisch, so dass meine Freundin schließlich rundum glücklich und zufrieden sein Studio verlässt.
An den restlichen drei Tagen, die meine Freundinnen in Armenien sind, absolvieren wir die übliche, aber immer wieder wunderbare Runde in den Süden Armeniens, die sie enorm begeistert.
Hier merkt man an manchen Ecken in den Provinzen schon noch, dass der Service in der Gastronomie nicht immer perfekt ist. Oftmals hängt es schlicht und einfach an der Kommunikation – obwohl meine Freundin auf Russisch ihr Bestes gibt. Da kommen manchmal eben Grillkartoffeln statt der eigentlich bestellten Pommes Frites am Tisch an.
Dafür wird uns in Goris das weltbeste armenische – rein vegetarische – Frühstück serviert, das unglaublich lecker ist und uns auch noch locker bis zum Abendessen durchhalten lässt. Wir schlemmen in der Frühstücksküche des kleinen Hotels und werden dabei von den zwei Köchinnen gleichzeitig bedient. Muffins haben sie gebacken, Teigtäschchen mit Bohnenmus, Tomaten-Rührei und das fluffigste Chatschapuri (Blätterteig-Taschen mit Käse) des gesamten Kaukasus haben sie für uns zubereitet, daneben kommen noch Salat, Brot, Käse, selbstgemachte Marmeladen und Limonade, armenischer Kaffee sowie frisches Obst auf den Tisch. Dass alles, was die beiden Damen für uns vorbereitet haben, überhaupt auf einmal aufgetischt werden kann, liegt nur an den Metallgestellen, die dem Ganzen eine absolut notwendige zweite Ebene hinzufügen.
Den letzten Tag der Reise beginnen wir schließlich in meinem Lieblingshotel in Jermuk und feiern morgens fröhlich den Geburtstag meiner Freundin. Beim Frühstück sage ich ihr zunächst, dass das zwar umfangreiche, aber eben nicht außergewöhnliche Frühstücksbuffet in diesem internationalen Hotel mit den liebevollen Kreationen vom Vortag wohl leider nicht mithalten kann. Doch dann stehen plötzlich zwei Angestellte des Hotels an unserem Tisch, fragen nach dem Namen meiner Freundin und überreichen ihr fröhlich mit den herzlichsten Glückwünschen des Hauses eine ganz frische, hausgemachte Geburtstagstorte! Wir sind erst mal sprachlos, anschließend muss ich mehrmals versichern, dass ich dem Hotel absolut nichts verraten oder gar die Torte bestellt habe. Aufmerksames Personal an der Rezeption merkt eben, wenn ein Gast am Vorabend des Geburtstags eincheckt.
Nach Cappuccino, Orangensaft, Omelett, Baguette, Croissants, Cornflakes, Joghurt, Waffeln und Obst dürfen wir daher nun alle noch ein Stück der Bananencremetorte verdrücken, die uns hervorragend schmeckt und erneut den langen Rückweg bis zurück nach Yerevan zuverlässig den Hunger bannt.
Kommentar schreiben
Thomas (Mittwoch, 04 April 2018 16:59)
Wie immer ein herrlicher Einblick in das Leben hier. Diesmal auch in Bereiche, die mir bislang völlig fremd waren :). Ich gehöre zu denen, die beim Friseur 1.500 AMD bezahlen müssen.