Mein – nicht ganz so – geheimes Yerevan …

#StreetsofYerevan

International Balloon Festival Discover Armenia from the Sky
International Balloon Festival Discover Armenia from the Sky

Vor einiger Zeit bin ich auf einen Artikel in dem Blog „Streets of Yerevan“ gestoßen, der sich mit der Frage beschäftigte, was die geheimen Juwelen Yerevans seien. Dieser Text hat mich daran erinnert, dass ich zwar schon viel über Armenien geschrieben habe, einiges auch über Kultur und Kulinarisches, aber keiner meiner Artikel hat sich nur mit Yerevan beschäftigt, der Stadt, in der ich nun seit über zwei Jahren lebe. Es wird also höchste Zeit, diese Lücke zu füllen! Und da ich kein normales Reiseführer-Kapitel über solch eine vielfältige Stadt schreiben kann oder will, folge ich lieber den Spuren von „Streets of Yerevan“ zu den – noch – geheimen Ecken der Stadt:

1. Wäscheleinen

Nun, nicht überall auf der Welt verbieten die Hausordnungen das Trocknen der Wäsche auf Wäscheleinen vor den Fenstern oder gar auf dem Gehsteig. In Armenien kommt dazu, dass der Sinn für Ästhetik der armenischen Wäscherinnen dazu führt, dass die Wäsche nicht irgendwie hängt, sondern säuberlichst nach verschiedenen Aspekten (Art, Farbe, Größe, Material etc.) sortiert wird. Wenn man aus einem Land kommt, in dem Trockenwäsche im Keller versteckt werden muss oder nur noch aus dem Trockner gezogen wird, muss man sich an diesen Anblick Sommers wie Winters erst gewöhnen. Doch das Ganze hat nicht nur ästhetische, sondern auch praktische Aspekte, so erkennt man z.B. einen Frisörsalon meist an der Wäschespinne mit farblich sortierten Handtüchern neben der Eingangstür. Daher sind Wäschefotos knipsen auch der erste der sechs Geheimtipps von „Streets of Yerevan“. 

2. Sowjetische Architekturdetails

Nun, ich bin kein Experte der armenischen Architekturgeschichte, daher kann ich nur erahnen, welche der Details, die mir im Stadtbild gefallen, aus dieser Ära stammen. Und viel Sowjetisches mischt sich stilistisch, glaube ich, auch mit armenischen Gestaltungselementen. Auf jeden Fall ist diese Mischung zwischen armenischen Traditionen, Sowjet-Erbe und moderner Architektur schon typisch für Yerevan, wenn auch die ersten beiden Teile, vor allem in der Innenstadt, leider in den letzten Jahren an Boden verlieren. An vielen Stellen findet man diese besondere Ästhetik aber immer noch, z.B. im Konservatorium, in der Metro oder im Byurakan Observatorium. Dieses befindet sich zwar ca. 40 Auto-Minuten bzw. 33 Km außerhalb Yerevans, verkörpert für mich jedoch besonders eindrucksvoll die armenische Ausprägung von sowjetischer funktional-repräsentativer Architektur. Byurakan war in der Sowjetunion ein bedeutendes Zentrum der Astronomie und hat es geschafft, sich nach den harten Zeiten zu Beginn der Unabhängigkeit Armeniens erneut als regionales Forschungszentrum zu etablieren. Ich hatte das Glück, Byurakan mehrfach besuchen zu dürfen und stets waren auch Nicht-Sternengucker von diesem Ort fasziniert.

3. Die Zoravor Surb Astvatsatsin Kirche (Sorawar-Kirche)

Bevor ich im „Streets of Yerevan“ Blog von dieser Kirche las, hatte ich noch nie etwas von ihr gehört oder sie gesehen. Im „gelben Buch“, dem derzeitigen Standardwerk für deutschsprachige Reisende nach Armenien, ist die kleine Sorawar-Kirche unter dem Namen „Surb Anania“ zwar in Karten eingezeichnet, wird jedoch nicht beschrieben. Also eine echte Neuentdeckung für mich und ohne gewisse Ortskenntnisse und Google Maps hätte ich das Kirchlein im Hinterhof inmitten der Plattenbauten, die es rundherum um fast das Doppelte überragen, auch kaum gefunden. Zunächst entdecke ich nur eine Kirchturmspitze hinter einem Zaun, bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit gehe ich durch einen Torbogen, dann eine Treppe hinauf und stehe schließlich auf einem kleinen Platz vor dem Kirchen-Ensemble. Sonntag Nachmittags ist der Platz nicht nur voller Gläubiger, sondern der Gottesdienst drinnen wird auch noch über Lautsprecher auf das Plätzchen draußen übertragen. So kann man auf einer der Parkbänke zwischen Bäumen und Kreuzsteinen dem Gesang der Priester drinnen lauschen. Ein gleichzeitig belebter und beschaulicher Ort inmitten der Großstadt, ich bin froh, dass ich ihn nun kenne.

Treppen ist übrigens noch ein Stichwort, das sehr gut zum geheimen Yerevan passt. Viele Hauptstraßen sind durch schmale Gassen und Treppen miteinander verbunden. Man durchquert dabei Hinterhöfe, muss die richtigen Ecken und Winkel kennen und kommt dann oft schneller als mit dem Auto von einem Ende der Innenstadt zum anderen.

4. Sowjetische Oldtimer

Autos sind auch der nächste Geheimtipp für Yerevan, natürlich die Oldtimer aus der Sowjet-Ära. Die wirklich schönen Exemplare stehen kaum noch auf der Straße herum und wenn, dann eher als auffälliges Werbeobjekt oder sie sind als Luxus-Taxis unterwegs. Doch die einfacheren Modelle findet man immer noch ab und zu in den Seitenstraßen und Hinterhöfen, manche aufgegeben, andere werden bisweilen noch genutzt. Leider habe ich ja überhaupt keine Ahnung von Autos und kann daher über Modelle und technische Eigenschaften keinerlei Information liefern, sondern habe mich bei der Wahl der Fotomotive lediglich von ästhetischen Motiven leiten lassen. 

Die beliebtesten Fahrzeuge in Armenien sind heutzutage übrigens Geländewagen, am liebsten in schwarz und von deutschen Sterne-Herstellern, gefolgt von japanischen Modellen und bisweilen auch in der Variante weiß. Bei armenischen Hochzeiten sind diese sogar ein Muss, was einschlägige Videos beweisen.

5. Dreifarbige Sonnenuntergänge

Nun, hierfür stehen die Chancen in Yerevan in der Tat nicht schlecht. Heitere Tage mit viel Sonne und ein paar Wölkchen haben wir hier recht häufig und dies kann, wenn es nicht allzu diesig ist, zu beeindruckenden Farbspielen am Abendhimmel führen. Das absolute Traumfoto, so, wie man es bei „Streets of Yerevan“ sieht, ist mir dabei zwar noch nicht gelungen, aber ich habe ja noch eine Weile Zeit für Fotosafaris.

Die schönsten Bilder knipste ich bisher übrigens nicht nur auf der Cascade, sondern auch auf Dachterrassenpartys von Freunden. Wohl dem, der in Yerevan eine Wohnung mit Blick in Richtung Westen hat.

6. Souvenir-Markt Vernissage

Zugegeben, hier bin ich mit meiner Vorlage nicht mehr ganz einverstanden, denn die Vernissage ist schon lange kein Geheimtipp mehr. Im Gegenteil, sie hat sich nach meinem Eindruck zu einem der Touristen-Hotspots in Yerevan entwickelt. Dies liegt einerseits an der enormen Professionalisierung, die hier in den letzten Monaten stattgefunden hat. Als ich im November 2014 das erste Mal auf der Vernissage war, fand ich noch eine witzige Mischung aus Flohmarkt und handgemachten, originellen Souvenirs vor. 2016 wurde dann monatelang umgebaut und renoviert, die Besucher quetschten sich an Bauzäunen vorbei und stolperten über Schotterwege. Nun ist der Umbau fertig, alle Stände haben einheitliche Pavillons verpasst bekommen, die Reihen sind breiter geworden, dazwischen großzügige Pflasterwege. Und an einigen Ecken sind sogar richtige Läden dazu gekommen. Besucher kommen andererseits auch immer mehr und das Warenangebot hat sich dem angepasst, Standard-Souvenirs in einer gewissen Eintönigkeit dominieren jetzt viele Stände. Man kann immer noch originelle Handarbeiten finden und an den Rändern des Markts auch noch ein wenig Trödel, aber der Charme von früher ist in meinen Augen in Gefahr. 

Mein Extra-Tipp: Yerevan besuchen, bevor es für Geheimtipps zu spät ist

Denn die Entwicklung auf der Vernissage ist exemplarisch für den gesamten touristischen Aufschwung, den Yerevan in den letzten Jahren erlebt hat. Ich merke das deutlich, wenn ich gerade die Monate Oktober und November in diesem Jahr mit den Vorjahren vergleiche: Auch in dieser Jahreszeit bevölkern jetzt noch Touristen aus aller Welt den Republiksplatz, der vor einigen Jahren im Herbst und Winter überwiegend den Einheimischen gehörte. Neue Selfie-Hintergründe animieren die Touristen, ihre Bilder aus Yerevan mit den Lieben daheim zu teilen. 

Der Statistik-Fan in mir hat nach passen Zahlen zu diesen Eindrücken gesucht, so haben im 2. Quartal 2016 etwa 40.000 und im 3. Quartal 60.000 Touristen Armenien besucht. In diesem Jahr waren es fast 80.000 im 2. und über 80.000 im 3. Quartal, Tendenz also eindeutig steigend. 

Und Armenien hat begonnen, mehr Tourismus-Marketing zu betreiben, zu bewundern z.B. auf der Webseite http://armenia.travel/en, selbst in der Beta-Version bereits ein beeindruckendes Produkt. Vielleicht ein weiteres Ergebnis guten Marketings ist, dass sich Armenien bzw. Yerevan zum heißen Geheimtipp unter Reisenden entwickelt, die schon alles gesehen und erlebt haben und nun nach „unentdeckten“ Ecken auf dem Globus suchen – mit Spaßfaktor natürlich. Hier ein paar Beispiele: 

Daher mein Tipp: Yerevan besuchen, bevor vom Geheimtipp nicht mehr viel übrigbleibt und die Hipster, Foodies und Kulturtouristen aus aller Welt die schönsten Tische in meinen Lieblings-Weinbars okkupieren. 

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