Tbilisi reloaded

einkaufen, entspannen, essen ...

Zwar ist hier im Süden des Kaukasus der Winter kürzer und oftmals sind die Tage auch nicht so trüb und dunkel wie in Deutschland, aber zum Reisen lud mich die Jahreszeit trotzdem nicht ein. Andererseits lasse ich ja eine Ausflugsgelegenheit selten ungenutzt und als ich die Möglichkeit hatte, Ende Januar für ein verlängertes Wochenende mit dem Nachtzug nach Tbilisi zu fahren, war ich gleich dabei. Darauf folgte dann schon Mitte Februar eine Partyeinladung, zu der sich eine große deutsche Südkaukasus-Community aus Baku, Yerevan und Tbilisi ebendort zusammenfand, auch das wollte ich nicht verpassen.

Die erste Reise beginnt im Yerevaner Bahnhof, der sich vor allem dadurch auszeichnet, dass von dort außer dem Nachtzug nach Tbilisi praktisch kein Zug abfährt. Und auch diesen Zug benutzt eine überschaubare Zahl an Reisenden. Dem entsprechend menschenleer ist bei meiner Ankunft die prächtige Bahnhofshalle. Wenigstens habe ich überhaupt keine Probleme, dort meine Mitreisende zu finden, die wenig später ankommt. Sie hatte Schwierigkeiten, den Bahnhof zu erreichen, da der Taxifahrer nicht wusste, wo der Bahnhof war, vermutlich war sie sein erster Gast, der dorthin wollte.

 

Nachtzug klingt erst mal recht gemütlich und anfangs war es das auch. Wir hatten genügend feste und flüssige Verpflegung für einen langen Abend dabei. Das Angebot wurde von netten Mitreisenden noch angereichert, so dass wir irgendwann nach Mitternacht in einen sehr entspannten und zufriedenen Schlaf fielen. Fast geräuschlos schaukelt der Zug langsam und gleichmäßig in Richtung Georgien. Nachts um kurz vor vier Uhr werden wir dann von der Schaffnerin aus dem Schlaf gerissen, gleich sind die Grenzkontrollen. Bis dann der gesamte Zug von armenischen und georgischen Grenzern kontrolliert und durchsucht ist, dauert es allerdings zwei Stunden, erst um sechs dürfen wir weiterschlafen. Schon um halb acht erreichen wir ziemlich übernächtigt Tbilisi – gut, dass es im Hotel lange Frühstück gibt, so dass noch Zeit für ein Nickerchen bleibt. 

Entsprechend gestärkt und erfrischt brechen wir dann am späten Vormittag bei warmen Sonnenschein zu einem ausführlichen Stadtspaziergang auf. Endlich lerne ich diese Stadt im Hellen und auch noch mit viel Zeit etwas näher kennen. Tbilisi liegt am Fluss Kura, eingerahmt von Bergen und Hügeln. An vielen Stellen bieten sich daher schöne Blicke auf die Berge, den Fluss oder auch auf beides. Wir wandern zunächst ein wenig durch die Stadt, an der frisch renovierten Oper vorbei (dazu später noch mehr) und dann hinunter zum Fluss. Dort ist am Wochenende Flohmarkt rund um die sogenannte „Trockene Brücke“. Neben jede Menge Krimskrams kann man dort auch aus Bildern aller Art wählen und mit den Malern ein wenig plaudern.

Aber wir haben noch mehr vor. Wir überqueren den Fluss und wandern auf der anderen Seite nach oben zu der riesigen, in den 90er Jahren erbauten Sameba-Kathedrale. Ein monumentaler Bau, der mehr durch Größe als durch Eleganz beeindruckt. Drinnen wird immer noch gewerkelt, die Wände sind teilweise noch kahl mit heraushängenden Kabeln, teilweise schon mit üppigen, überdimensionalen goldenen Ikonen geschmückt.

Nach einer kleinen Stärkung mit georgischen Chinkali (Teigtäschchen mit Gemüse, Käse oder Fleisch) nehmen wir uns vor, auch noch die Hügel auf der anderen Fluss-Seite abzulaufen, dies wird zum Glück durch eine Seilbahn erheblich erleichtert. Der Himmel zieht sich nun langsam zu, trotzdem bietet sich uns von dort oben ein wunderbarer Blick auf die Altstadt und das Fluss-Tal. 

Am nächsten Tag verzichte ich auf einen Ausflug ins Umland, denn es ist starker Schneefall angesagt. Stattdessen wähle ich eine Spa-Landschaft im 18. und 19. Stock eines Hotelhochhauses mitten in der Stadt. Ein wunderbarer Ort, an dem es sich ganz prima den ganzen Tag faulenzen lässt. Als ich gegen Mittag eintreffe, ist das Schneetreiben so dicht, dass man durch die Fenster nur weiß in weiß sieht, im Laufe des Nachmittags tauchen dann langsam die Konturen der Stadt unter mir wieder auf. 

Meine Schilderungen dieses Ortes sind so überzeugend, dass meine Mitreisenden am nächsten Tag, an dem das Wetter nur wenig besser ist, auch dorthin wollen. Und was soll ich sagen, es gibt Schlimmeres, als nochmal ein paar Stunden dort zu relaxen – außer vielleicht, dass das Portemonnaie schnell leer wird.

Die Rückfahrt im Nachtzug hat den entscheidenden Vorteil, dass die zweistündige Grenz-Prozedur bereits zwischen elf und ein Uhr nachts stattfindet, so dass man danach bis nach Yerevan noch ein paar Stunden schlafen und daher am gleichen Tag sogar noch arbeiten kann. 

Drei Wochen später bin ich dann schon wieder in Tbilisi. Da wir Freitag nachmittags mit dem Auto aus Yerevan abfahren, ist Abends zunächst Begrüßungsessen mit den Kollegen aus Tbilisi angesagt. Nach dem Essen, auf dem Weg zum „Absacker“, kommen wir an dem bereits erwähnten, gerade neu eröffneten Opernhaus vorbei. Die Gäste der Abendvorstellung strömen aus dem hell erleuchteten Gebäude und mein Begleiter fragt, ob wir hineingehen wollen, ich stimme sofort zu. Wir mischen uns also unter die herumwandernden Gäste und fallen kaum auf. Zunächst bewundern wir das Treppenhaus und den eher kleinen, klassischen Opernsaal. Das restliche Gebäude wirkt für mich wie eine sehr bunte und prächtige Mischung aus Topkapi-Palast und Neuschwanstein.

Auf dem Rückweg entdecken wir einen Empfang im Foyer. Wortlos schauen wir uns kurz an, nehmen jeder am Eingang ein Glas Sekt vom Tablett des Kellners und mischen uns wie selbstverständlich unter die Gäste. Ein buntes Publikum aus herausgeputzten Abendgästen, georgischen Paradiesvögeln und einigen Ausländern wandert durch den Saal und bedient sich an den Häppchen. Nachdem die Häppchen probiert und das Sektglas leer sind, verlassen wir unauffällig das Haus, bevor doch noch jemand bemerkt, dass wir gar nicht eingeladen waren.

 

 

Am Samstag steht dann ein Ausflug der Party-Gäste in die Umgebung an. Zwar ist mal wieder schlechtes Wetter angesagt, aber in lustiger Gemeinschaft in der Maschrutka (russisch für Kleinbus, entlehnt aus dem deutschen „Marschroute“) und später zu Fuß im leichten Schneetreiben den Hügel hoch macht das alles trotzdem viel Spaß. Der Blick über das Kura-Tal von dort oben soll eigentlich sehr weit reichen, an diesem Tag ist er eher neblig-geheimnisvoll. Im Minutentakt rennen wir daher zwischen Kirche und Terrassenbrüstung hin und her, da sich zwischendurch der Schneenebel ein wenig lichtet und man das Tal unter uns doch ein wenig erahnen kann. 

Abends ist es dann schon wieder angenehm mild in Tbilisi, so dass die Partygäste den Ausblick von der Dachterrasse unseres Gastgebers in vollen Zügen genießen können.

Zu guter Letzt nutze ich die Rückfahrt mit dem Auto, um auf dem bereits erwähnten Markt zwei kleine Bilder zu kaufen. Diese lassen sich im Auto sicherer und bequemer transportieren als im Zug und verschönern nun mein Büro.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0